ANDREA KRÜGER
PAAR- UND FAMILIENBERATUNG
GÄSTE
Auf einigen alten Küchenhandtüchern im Schwarzwald ist der Spruch gestickt:
Mutter schütt´ Wasser in die Suppe, es kommen Gäste!
Dies war eine Zeit, in der Essen knapp war, die Suppe zu verdünnen, um sie mit Anderen zu teilen, war ein Zeichen von Herzensgüte und Gastfreundschaft.
In unserer Zeit geht es nicht mehr um den knurrenden Magen, sondern um :
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Status
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Selbstdarstellung
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Gruppenbindung
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Ehrerweisung
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Beziehungspflege
zu Fremden, Verwandten, Bekannten und Freunden.
In der Nachkriegszeit können wir diese Entwicklung wie im Zeitraffer beobachten:
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Teilen von Essen, persönlicher Komfortverlust, Überwindung von Egoismus
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Darstellung von „nicht arm sein“, d.h. Es gibt viel für Viele und reichhaltiges Essen: Fleisch, Zucker und Fett (Buttercremetorte)
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Darstellung von Wohlstand. Größere Bedeutung kommt der Darbietung des Essens bei, z.B. das gute Geschirr, das Tafelsilber, Kristallgläser
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Darstellung von Weltgewandtheit und Bildung,außergewöhnliches Essen wie Hummer, Austern, etc.
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Darstellung von Einfallsreichtum und Originalität
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Themenabende (Event) afrikanischer Abend, Sushi usw.
Paare können bzgl. Spontanität, Menge und Qualität sehr unterschiedlicher Meinung sein.
FRITZ
Die Getränke reichen, wenn nicht können wir ja bei den Nachbarn klingeln.
EVA
Es muss mehr geben als die Gäste essen oder trinken können,sonst fühlen sie sich nicht willkommen.
ANNA
Alles muss aufgeräumt und sauber sein, der Ablauf muss wie am Schnürrchen klappen.
PETER
Die Gäste fühlen sich wohler, wenn sie auch etwas machen dürfen, und nicht das Gefühl haben, sie brächten uns an den Rand der Erschöpfung.
ULI
Wir müssen etwas Einfaches machen, sonst bringen wir die Anderen, wenn sie sich revanchieren wollen, in Schwierigkeiten.
LEA
Wir brauchen ein Mitbringsel, das die Gastgeber freut, unsere Freundschaft ausdrückt und sie nicht beschämt.
LARS
Wieso willst Du sie schon wieder einladen, jetzt sind sie erst mal dran.
ARND
Wieso laden wir sie nicht einfach in ein Lokal ein.
ENNI
Das geht doch nicht, die machen sich doch immer total viel Mühe.
FRIEDA
Ich habe am liebsten spontan Gäste.., dann stehe ich nicht so unter diesem Perfektionsdruck.
MARIE
Ich brauche genügend Vorlauf, damit ich alles einigermaßen ohne Stress machen kann.
ULRICH
Von eigenen Festen habe ich selbst am wenigsten, weil ich mich ja um die Anderen kümmern muss.
MELLI
Die Gäste müssen merken, wenn der Zeitpunkt zum Aufbruch kommt – spätestens, wenn ich beginne aufzuräumen.
JULIA
Ich würde meine Freunde viel häufiger einladen, wenn sie ihre Kinder nicht immer mitbrächten. Aber das darf man ja nicht sagen, Müttern gegenüber Erwachsenenbedürfnisse zu äußern, wird schnell als Kinderhass interpretiert.
Ja Sie sehen schon, mit einfach Wasser in die Suppe schütten, ist es schon lange nicht mehr getan. Ein Blick in diverse Frauenzeitschriften vor Ostern oder Weihnachten, zeigt uns -einfach war früher-
...Warum immer kochen machen sie mit Ihren Gästen doch ein einfaches Picknick. Die Rezepte für die 18 exotischen Brotaufstriche gibt es praktischerweise bei uns genauso wie die Bezugsquellen für die 41 sehr seltenen Gewürze, die sie dafür noch schnell in verschiedenen Geschäften besorgen müssen...
So kommt es, dass Familien total gestresst sind, bevor der Besuch überhaupt da ist.
Man steht im Wettbewerb, das Haus muss gut aussehen, die Kinder sollen nichts Schlimmes machen, Sie sollen aufmerksam, interessiert aber dabei entspannt sein und gut aussehen, das Essen soll hervorragend sein und von allem soll genug da sein.
In all diesen Vorbereitungen gibt es vielleicht Erinnerungen an eine Zeit, als es einfacher, lockerer und spontaner war.
Die Spannungen bei Paaren in solchen Situationen kommen daher, dass wir uns am Schnittpunkt von innen und außen befinden.
Wie sind wir?
Wie wollen wir gesehen werden?
Die Außendarstellung einer Gruppe gelingt nur, wenn alle Gruppenmitglieder dasselbe darstellen wollen und können. Am Einfachsten ist, wenn was wir sind und was wir sein wollen bei Beiden deckungsgleich ist. Ich kann Sie aber gleich beruhigen, das ist so gut wie nie der Fall.
Wie wir uns zu Hause benehmen, wenn wir unter uns sind, ist meist weniger problematisch.
Wenn wir es nicht optimal finden, liegt vor uns ein großes Zeitfenster, in dem wir daran arbeiten können. Wir stehen also nicht unter Zeitdruck.
Haben wir Fremde zu Besuch, z.B. den Chef mit Frau, der uns das erste Mal besucht und mit uns per Sie ist, haben wir auch weniger Probleme, da es einen gesellschaftlichen Konsens gibt, was da üblich ist und erwartet wird.
Aber Alles dazwischen muss individuell festgelegt werden . Hier geht es um das Verhältnis von Natürlichkeit und Perfektion.
An dieser Stelle stellt manches Paar fest, dass es unterschiedlich weit entfernt vom eigenen Lebensideal lebt.
Hier stehen wir also plötzlich vor tiefer gehenden Fragen.
Papier- oder Stoffserviette mag auf den ersten Blick trivial erscheinen, aber
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Was war in meiner Familie üblich, wie haben wir „die Meiers“ uns nach außen gezeigt?
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Wie will ich mit meiner Familie/ Partner heute von außen gesehen werden? Das kann zu Beginn der Beziehung durchaus anders gewesen sein. Alle hatten noch keine Kinder, man traf sich eher außer Haus oder alle hatten wenig Geld (Studenten, Lehrlinge), die Feiern waren einfach, jeder brachte etwas mit, oder es wurde vielleicht einfach eine Pizza bestellt.
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Wer ist bei uns der Bestimmer?
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Wie wichtig sind die Anderen?
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Wer oder was alles bestimmt in unserem Kopf, was sich gehört?
Dieser Artikel ist nur ein Streiflicht auf eine sehr komplexe Thematik, die oft für Verdruss und schlimmstenfalls zu Rückzug aus freundschaftlichen Verbindungen führt.
Vielleicht hat Sie der ein oder andere Punkt angeregt, mit Ihrem PartnerInn darüber zu sprechen.
Jetzt will ich Sie aber nicht länger aufhalten, sicher gibt es für Ihre Feier Einiges vorzubereiten, wenn Gäste kommen ;-))
Herzliche Grüße
Andrea Krüger