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NE QUITTE PAS

HAT SICH UNSER LEBEN DURCH DIE MODERNEN MEDIEN VERÄNDERT?

Schüler, die sich während des Unterrichts SMS schicken, tun eigentlich nichts anderes, als Schüler, die früher einen Zettel durch die Klasse gereicht haben. Es steht genau der gleiche scheinbar notwendige Unsinn darin.

Eine eifersüchtige Frau, die die Anruflisten ihres Mannes durchsucht, hätte zwei Jahrzehnte früher die Taschen der Jackets nach Zetteln mit aufgeschriebenen Telefonnummern durchforstet. 
Also alles wie immer? 
Oder sogar besser? 

Man kann müheloser in Kontakt bleiben, schnell ein Foto von der Reise schicken, spontan eine lustige Bemerkung schreiben, unkompliziert per doodle Absprachen treffen. Ich kann mit sehr vielen Menschen z.B. per facebook in Kontakt sein. Doch es gibt auch Klagen.

JESSIE (23 J.):

Ich habe 2000 Freunde bei Facebook, um die ich mich kümmern muss. Ich muss für alle immer verfügbar sein, sonst werde ich vergessen. Außerdem muss ich mich darstellen, positionieren. 
Welcher Facebook Gruppe schließe ich mich an

  • -Ich finde Katzen unnötig-

  • -Schulschwänzer aus Überzeugung- oder

  • -Justin Bieber Hasser-

Welche Fotos poste ich?

  • Ein Foto mit meiner Familie

  • mit Freunden beim Feiern

  • von meinen neuen Schuhen

  • 8000 Fotos von meinem 2 Tage alten Baby

  • Ich mit einem Buch und Lesebrille

  • Ich vor einem Museum

  • Ich vor einer Uni

  • Ich lasziv an (m)einen Sportwagen gelehnt

Was sagt das über mich aus? 

Welches Image gebe ich mir?

SANDRA (28 J.)

Mein Mann kommt immer spät von der Arbeit. Ich war den ganzen Tag mit der Kleinen allein und freue mich auf ein bißchen Ansprache. 
Sicher, er spielt dann mit dem Kind und isst mit uns. Aber dann, wenn endlich Ruhe ist, sagt er: -Schatz, ich muss gerade noch kurz die Mails checken, ja? Das ist dann das letzte, was ich von ihm höre. Weit nach Mitternacht geht er ins Bett.

Da schlafe ich schon, die Kleine kommt ja immer schon um sechs.

ULI (37 J.)

Meine Frau schaut Netflix, als ob es nichts Anderes gäbe auf der Welt. Ich persönlich halte das für ne Sex-Vermeidungs Methode. Die Jahre vergehen und ich habe das Gefühl, das Innenleben von Kommisar Stollberg ist ihr vertrauter als meines.

JANA (24 J.)

Wir haben sehr jung geheiratet und gleich die Kinder, drei jetzt, bekommen. Mark setzt sich im größten Gewühl an den Rechner und spielt Ballerspiele. Er ist dann völlig absorbiert. Spreche ich ihn an, sagt er aggressiv: -Du versaust mir mein Level.- Es ist als hätte ich drei Kleinkinder und einen Pubertierenden. Ich habe jeden Respekt für ihn verloren. Außerdem bin ich so unglaublich wütend, dass immer ich vernünftig und verantwortungsvoll sein muss.

EDDA (48 J.)

Ich dachte immer wir hätten eine gute Beziehung, auch auf der körperlichen Ebene. Letzte Woche sah ich im Verlauf  unseres PCs, rein zufällig, dass Werner abends Sex-Seiten aufruft. Ich habe sie mir angesehen, ich musste einfach. Es war ekelig. Diese Frauen ..minderbemittelte gierige Tiere. Will er, dass ich so wäre? Bedeuten ihm Gefühle und Intimität eigentlich gar nichts? Genügt ihm das, was wir zusammen haben, nicht? Er sagt ich würde das nicht verstehen. Das ist der einzig übrig gebliebene Punkt, in dem ich ihm Recht gebe.

ANNA (38 J.)

Unsere Familie ist zerstört. Elisa unsere Tochter ist 14 Jahre alt. Sie war ein Wunschkind und der leuchtende Stern in unserer Mitte. Seit Monaten spricht sie nicht mehr mit uns, trifft sich mit Niemandem mehr, isst kaum noch. Zu dem Kinderpsychiater, den wir auftaten, will sie nicht gehen. Jetzt hat uns ein Lehrer erzählt, dass sie auf der Klassenfahrt betrunken war und dabei gefilmt wurde, wie sie sich halb bekleidet wieder und wieder übergibt. Dieser Film wurde in youtube hochgeladen und hat schon 11000 clicks. 
Der Lehrer hat den Film geblockt, aber der Schaden ist ja schon entstanden. Auch ein Schulwechsel würde wenig nutzen. Seitdem zerfleischen sich mein Mann und ich, weil wir uns gegenseitig vorwerfen, wir hätten es bemerken müssen, etwas tun müssen, sie schützen müssen......

SONJA (31 J.)

Ich habe Julian über eine Date-site kennengelernt. Wir schreiben uns sehr intensiv, es ist eine Form des Kennenlernens, die sehr schnell zum Kern vorstößt. Zweimal haben wir uns schon getroffen und es war sehr schön. Mein Problem: Er will dass ich alles aufgebe und zu ihm ziehe (400km entfernt). Er wäre aber auch bereit, alles aufzugeben und zu mir zu ziehen. Dann läge aber sein Schicksal in meiner Hand. Nach so einem Opfer dürfte ich dann nie sagen, ich finde es jetzt aber doch nicht so gut. Andererseits habe ich nicht den Mut, alles aufzugeben. Aber ich will ihn auch nicht verlieren. Ich habe ihn durch die Mails sehr gut kennengelernt. Das Zusammenziehen zu verschieben wäre kränkend, denn ich weiß ja jetzt alles über ihn. Aber zwei gemeinsam verbrachte Wochenenden sind doch wenig, oder? Ich dachte das mit dem Internet wäre eine Methode, wirklich zu der perfekten Entscheidung zu kommen. Nun stehe ich vor dem selben Zweifeln, wie bei der old-school-Methode.

RUBI (27 J.)

Meine Eltern haben mir gesagt, dass sie keine Kinder bekommen können. Meine Mutter hat sich damals im Netz Sperma bestellt, und so bin ich entstanden. Das war wohl illegal, deshalb haben sie meinen Vater als Vater angegeben. Ich wurde ja auch ehelich geboren. Diese Erklärung hat mich zunächst schockiert und irritiert. Aber dann dachte ich, eine schöne Kindheit und gute Eltern, so what? Jetzt will meine Frau Kinder und ich kann es nicht. Ich denke über den unbekannten fremden Vater nach. Werde ich die Enkel eines Drogensüchtigen oder eines Mörders als Kinder haben? Hatte er vielleicht eine schlimme Krankheit? 
Ich bin total verunsichert über mich, mein Leben, alles....

TOM (51 J.)

Haben sie schon mal einen Fall mit einem Stalker gehabt? Ich habe einen meine eigene Frau. Sie schreibt mir, wenn ich arbeite, um die zehn SMS pro Stunde. Sie hat ein Programm auf mein Handy geladen, womit sie zu Hause sehen kann, wo ich gerade bin. Außerdem möchte sie in der Mittagspause mit mir skypen. Wenn ich nicht antworte oder sie während einer Besprechung wegdrücke, bombardiert sie mich mit Mails, What's apps und was weiß ich noch Allem. Ich halte das nicht mehr aus.

SUSANNE (36 J.)

Jan und ich haben eine Fernbeziehung. Wir sind beide sehr eigenständige Menschen und leben sehr gut damit. 
Als Jan letztes Mal hier war, bekamen wir kurz vor seiner Abreise auf dem Bahnhof Streit. Es war für mich unbefriedigend, dass ich keine ausreichende Gelegenheit hatte, meinen Standpunkt darzulegen. Auf der einstündigen Rückfahrt vom Bahnhof habe ich mich total reingesteigert. Kaum zu Hause, habe ich mich darangemacht, ihm eine Mail zu schreiben. Beflügelt von den tollen Formulierungen, die mir eingefallen sind, wurde aus ich erkläre Dir, was ich gemeint habe eine Generalabrechnung. Jedes Wort stand präzise und treffend, aber auch vernichtend. Ich clickte auf senden, und wusste im selben Moment, dass es falsch war. Ich habe seitdem mehrfach versucht, ihn zu erreichen, aber er ist für mich nicht

mehr zu sprechen.

EBBO (34 J.)

Ich habe eine ganz tolle Frau kennengelernt. Wir haben uns ein paar mal getroffen, auch miteinander geschlafen. Wir wollen es langsam angehen lassen. Jetzt schreibt sie mir Mails oder SMS, die, ich kann es nicht anders sagen, völlig Sinn entleert sind. Gestern schrieb sie mir z.B. was sie gerade gegessen hatte, und schickte mir ein Foto davon. Ich dachte so etwas machen nur japanische Touristen. Wenn wir uns sehen, führen wir interessante Gespräche und haben uns schon etwas zu sagen. Aber das? Ist das das Niveau, was mich bei einem Zusammenleben erwarten würde? Sie sagt, ich hätte doch gesagt, wir sollten es langsam angehen lassen.

Dieses letzte Beispiel zeigt sehr anschaulich, dass das gesprochene und das geschrieben Wort, wie zwei Sprachen sind. Ebbos Freundin macht Small-talk, um den Kontakt zu halten, weil es ihr ein Bedürfnis ist. Ebbo aber denkt, jetzt käme ein wichtiger Inhalt und ist irritiert. Bei Susanne wird der Streit durch die Schriftform zum Monolog und erhält dadurch ein vernichtendes Gewicht.

Die vierzehnjährige Elisa erleidet seelischen Schaden, nicht weil sie verspottet wird. Das erlitten Schüler ja zu allen Zeiten. Der Spott und die Kränkung sind so schlimm durch die unkontrollierbare Vervielfältigungsmöglichkeit und den Fakt, dass es für immer bleibt. 
Was die Eltern hier erleben ist Hilflosigkeit und Ohnmacht.

Ich empfehle Ihnen, machen Sie mal Diät. Ein medienfreier Tag in der Woche hilft Paaren und Familien, sich wieder mehr miteinander zu beschäftigen. Dazu muss man nicht etwas ganz Außergewöhnliches als Ersatz tun. Räumen Sie in Ruhe Ihren Garten auf, gehen Sie mit den Kindern das Auto schamponieren,und wundersamerweise, kommen Gespräche auf. Falls Sie mit der Familie etwas Besonderes kochen, schicken sie mir einfach ein Foto davon ; - ))

Ich hoffe der Artikel hilft Ihnen, miteinander ins Gespräch zu kommen, vielleicht auch eine kleine Bilanz zu ziehen, welche

Rolle die Medien in Ihrem Leben spielen.


Herzliche Grüße 
Andrea Krüger

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